Sie sagt Sätze wie: «Es ist wichtig, dass wir es schön haben miteinander.» und weiter: «Man muss miteinander alle Möglichkeiten anpacken, da man nicht alles alleine unter einen Hut bringt.» oder: «Ich bin voll der Vernetzungstyp.» und zum Höchhus, in dem eigentlich alles möglich sein müsste: «Wenn ein Bedürfnis nicht mehr abgedeckt werden könnte, müsste es mehrere Höchhüser geben.»
Wer ist Agnès Perrin? Eine rhetorische Frage!
Agnès Perrin (47) ist seit 1. Juli 2024 zu 40 Prozent als «Mitarbeiterin Soziokultur Offenes Höchhus» angestellt. Sie hatte schon eine Weile vor der Eröffnung die Vision eines Begegnungsortes für Steffisburg, sie nannte es «Meet-enang». Sie schrieb bereits vor einigen Jahren ins Gemeindehaus: «Steffisburg braucht einen Begegnungsort, wo Gemeinschaft als Balance auch offline gelebt wird. Als Vernetzung und Hilfefindung in sozialen Bereichen sowie kulturelle Bereicherung von und für Alle.»
So ist Agnès auch gleich von Anfang an im Offenen Höchhus anzutreffen. Ich erinnere mich an meine erste Begegnung mit ihr: Sie sitzt vor einem Kasten voller farbiger Steinchen und glitzernden Ösen, fädelt in einer Seelenruhe kleine Kunstwerke auf und meint, sie organisiere dafür ein Treffen, dies spreche bestimmt einige Menschen an, die dann gemeinsam etwas schaffen. Danach sehe sie hin und wieder hinter dem Tresen des Begegnungscafé, oft ist Tochter Helena (8) dabei. Immer sieht sie wieder anders aus: Mal trägt sie ein Tuch ums Haar geschlungen, mal trägt sie die Haare offen, immer aber ein klar wiedererkennbares Lächeln im Gesicht. Am Vorlesetag ist sie die federführende Person, die neben Vorlesen auch gleich noch eine Menge Beschäftigungsakivitäten für Kinder bereithält und im Vorfeld gefühlt ihr gesamtes Steffisburger Netzwerk mobilisiert.
Woher kommt Agnès mit accent grave?
Sie ist – wie sie selbst sagt – eine Ursteffisburgerin. In Steffisburg mit einem Bruder aufgewachsen und zur Schule gegangen und hat schon damals viel Freiwilligenarbeit geleistet: Sie war zum Beispiel bei den Pfadfinder:innen, gab Karatekurse für Kinder und Erwachsene. Die Eltern waren zufrieden, als sie gleich eine Lehre als Drogistin in Thun machte und damit ein Ziel vor den Augen hatte. Agnès war aber unruhig und wollte mehr und grösser denken. Sie, die zweisprachig aufgewachsen ist, rückte näher ans Französische, arbeitete in Erlach, dann in Le Landeron. Sie suchte nach weiteren beruflichen Möglichkeiten. Hier eine kleine Auslegeordnung: Sie hatte Stellen im Labor, in der Gesundheitsverwaltung, machte die Ausbildung zur Drogistin HF in Neuchâtel, liess sich auf verschiedenen Ebenen sozialpädagogisch ausbilden, hatte oft und viel Verantwortung, reiste um die Welt, landete schliesslich in Berlin, blieb da, heiratete, wurde schwanger und kehrte zurück nach Steffisburg. Denn, das war für das Paar längst klar: Ihr Kind soll in der Schweiz aufwachsen, denn «Hier stellen sich uns kleinere Probleme und wir haben es einfach schön.» Ausserdem ist die Familie in der Nähe, ein Zusammenleben und einander helfen ist doch das Ziel eines jeden Menschen.»
Auch in Steffisburg ist sie gleich wieder für andere da: Sie unterrichtet als Quereinsteigerin in einem Teilpensum an der Schule Untere Au in Heimberg eine 6. Klasse.
Miteinander durch und durch
Der Mensch ist nicht gemacht fürs Alleineleben, davon ist Agnès überzeugt. So lebt sie heute mit ihrer Mutter im gleichen Haus, bezieht sie in ihr Leben mit ein und pflegt generell und ganz bewusst ein geselliges Leben. Denn, die heutige Idee (gegen die Agnès auch nicht ganz gefeit ist), alles sofort und in der ganzen Fülle zu haben, kann nur funktionieren, wenn man es gemeinsam angeht. Wir brauchen ein Miteinander, betont Agnès wieder und wieder.
Die ersten 30 Tage
Jetzt also ist sie seit dem 1. Juli 2024 «Mitarbeiterin Soziokultur». Nach allem, was ich bisher von Agnès erfahren habe, verstehe ich ungefähr, dass diese Stelle Agnès wie auf den Leib geschrieben ist.
Da ich aber gerne mehr Fleisch am Knochen hätte, suche ich erstmal bei Wikipedia «Soziokultur» und finde: «Soziokultur bezeichnet die Summe aus allen kulturellen, sozialen und politischen Interessen und Bedürfnissen in einer Gesellschaft oder einer gesellschaftlichen Gruppe.»
Und was heisst das jetzt fürs Offene Höchhus, für Agnès? Bundesräte oder CEOs werden schliesslich auch nach den ersten 100 Tagen befragt. Ich frage Agnès nach den ersten 30 Tagen im Höchhus:
Was sind deine Aufgaben im Offenen Höchhus?
Erst einmal tönt es etwas dürr: koordinieren, planen, disponieren. Es braucht für alle Öffnungszeiten genügend Gastgeber:innen und Helfer:innen, eine Ordnung in den Küchenschränken, die für alle nachvollziehbar ist. Die eigene Note einbringen, ist zwar schön, es braucht jedoch einen Plan, damit es wirklich für alle stimmt. Denn manchmal muss es schnell gehen und da bleibt keine Zeit für Suchaktionen und Reibereien. Und noch einmal disponieren und koordinieren: diesmal geht es um den Lebensmitteleinkauf. Denn plant Antonietta ein Apéro, dann kann es ja nicht sein, dass sie ihre Zutaten schliesslich auf der Pizza findet. Agnès braucht einen klaren Kopf, Struktur und ein gerütteltes Mass Fingerspitzengefühl. Viele Menschen bringen viele Ideen und die freiwillig Engagierten wollen gestalten und Spass haben. Das Zwischenmenschliche darf also nicht zu kurz kommen.
Ich bin voll der Vernetzungstyp.
Agnès Perrin (47)
Dann aber fliegen Agnès‘ Hände und sie kommt zu ihrem Lieblingsthema, zum Vernetzen nach aussen, Ausstrahlen nach Steffisburg und Umgebung. Ihre Idee noch einmal: « Man braucht ein Migros, ein Coop und das Offene Höchhus. Neben dem Essen braucht es Beziehungen und die gibt es im Höchhus.»
Das Offene Höchhus ist nach etwas mehr als einem Jahr auf gutem Weg, findet Agnès: «Die Atmosphäre stimmt.»
Wann bist du im Höchhus anzutreffen?
Agnès ist an allen Wochentagen vormittags im Offenen Höchhus und freut sich, wenn Leute mit Ideen oder Anliegen für das Begegnungszentrum auf sie zukommen. Sonst darf man sie auch anrufen unter 079 705 71 72 oder ihr schreiben auf a.perrin@offeneshoechhus.ch.
Wie hast du dich eingelebt?
Agnès ist buchstäblich seit der ersten Stunde des Offenen Höchhus hautnah dabei, also seit der geschichtsträchtigen Zustimmung des Steffisburger Parlaments im April 2023. So ist die Frage nach ihrer Zeit seit dem 1. Juli, seit ihrem Arbeitsbeginn als Angestellte, eher müssig. Entsprechend sagt sie: «Es ist eigentlich gar nicht anders als bevor ich angestellt war. Es ist ein Wachsen, ein Hineinwachsen. Ich kenne alle schon, fühle mich eigentlich gar nicht neu.» Doch dann korrigiert sie sich: «Es ist noch 100‘000mal besser, als was ich gedacht habe und ich bin immer wieder überrascht, welche «Macher» hier am Werk sind.»
Und zur Arbeit an sich: Sie sei immer etwas im Schuss, es brauche sie an allen Ecken und Enden, die Zeit sei knapp. Zudem: «Ich muss jetzt dafür sorgen, dass man mich immer alles fragen kann und dass dann gilt, was ich sage.»
Was hast du schon bewegt und welche Pläne hast du?
Sie hat natürlich «X Pläne», was man noch miteinander machen, erleben, kreieren könnte. Den Kindernamioder Zäme säuber mache hat sie bereits eingeführt. Wir alle können ruhig sein: Da wird noch Einiges mehr hinzukommen.
Doch auch bei Events, und sind sie noch so niederschwellig, braucht es Ordnung, Struktur und vor allem «Gspüri», wie man Leute mitnehmen und Ideen realisieren kann. Agnès hält nichts von sturen Regeln oder Verboten. Agnès will Worte finden, damit alle Ausrichtung oder Regeln der einzelnen Veranstaltungen verstehen und dann auch mittragen. Natürlich formuliert sie dies positiv: «Wir wollen miteinander…», «Wir wollen, dass alle…». Eben miteinander und füreinander.
Wofür würdest du mitten in der Nacht aufstehen?
um nach meinem Kind zu schauen. Aber auch wenn Familie oder eine Freundin Hilfe braucht. Oder um ein Feuerwerk zu schauen.
Welche wichtige Person/Persönlichkeit möchtest du einmal treffen?
Platon: Unterschiede vom Verhalten zwischen den Generationen damals und heute besprechen. Oder Hayao Miyazaki: ein japanischer Regisseur von Ghibli Filme. Ich denke Japan hat eher den Ruf patriarchalisch zu sein, in seinen Filmen ist aber immer ein Mädchen die Heldin der Geschichte. Was bewog ihn dazu? Mir geht es ganz klar um Gleichstellung und was sind Gedanken dazu die noch verbreitet werden müssen.
Was gefällt dir an UND?
Ziemlich vieles! Ganz stark das Wohlwollende – Man spürt bei all den Veranstaltungen, Begegnungen vom UND organisiert, im Kontakt mit der Geschäftsstelle, Gastgeber:innen, Vorstand, Mitwirkenden etc. diese positive Kraft. Alle diese UND-Menschen wollen es schön zusammen haben und setzen sich dafür ein. Ich bin immer wieder positiv schockiert und gehe fast immer mit einem Glücksgefühl nach Hause. Ist ja klar, dass mir das gefällt.
Was bringt dich auf die Palme?
leider noch zu vieles. Zum Beispiel Rücksichtslosigkeit, bewusste Zerstörung und Kaugummikauer.