Das Gespräch zum Nachschauen und Nachhören
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Berichte über Albanien während des Kosovokrieges oder aus dem Nordirak während des Golfkrieges: Über mehrere Jahrzehnte hinweg war Werner van Gent der Kriegsjournalist des Schweizer Fernsehens. Dass die Veranstaltung «Werner van Gent – Leben zwischen Krieg und Musik», die am 9. Februar im Dachstock des historischen Höchhauses in Steffisburg stattfand, auf grosses Interesse stossen würde, war den Organisator:innen zwar klar, aber dass fast 200 Menschen ihren Weg ins Höchhaus finden würden, hätte wohl doch niemand erwartet.
Der Abend begann mit der Vorführung des Films «Werner van Gent – Leben zwischen Krieg und Musik», einem eindrucksvollen Dokumentarfilm über den Sinn und Unsinn des Kriegsjournalismus und die Bedeutung von wortwörtlichen und metaphorischen Rückzugsorten. Der Film wird Ende Februar auf SRF Dok ausgestrahlt.
Leben zwischen Krieg und Musik
Amalia und Werner van Gent arbeiteten als Printjournalistin und Radio- und Fernsehjournalist im Irak, in Pakistan und im Balkan und berichtete für Schweizer Medien über den Krieg. Der Film, geschrieben von Amalia und Werne van Gent und produziert und Regie geführt von Michael Magee, zeigt ihre Erlebnisse in diesen Kriegsgebieten und wie die beiden Journalist:innen ihre Erfahrungen verarbeiten. Die Musik, aber auch ihr Zuhause in Griechenland spielen dabei eine wichtige Rolle.
Der Film fokussiert auf das Leben und Schaffen von Werner van Gent, Amalia van Gent kommt nur im Hintergrund vor. Das sei ein «Geburtsfehler» dieses Films, sagen Amalia und Werner van Gent, denn die beiden haben während ihrer 40-jährigen Wirkenszeit immer zusammengearbeitet. Werner van Gent: «Es hätte ein Doppelportrait sein sollen, doch das wollten die Sponsoren nicht.»
Der Film wurde an den 58. Solothurner Filmtagen ausgezeichnet.
Nach dem knapp 60-minütigen Film, der mit einem wunderschönen Stück der griechischen Violinistin Patricia Kopatchinskaja endete, herrschte zunächst einmal Stille im etwas überfüllten Dachstock des Höchhauses – eine kurze Pause war nötig, um das Gesehene zu verarbeiten.
Als Frau im Journalismus
Während Werner van Gent, mit seinem markanten holländischen Akzent und seinen zahlreichen Auftritten im Schweizer Fernsehen, vielen Menschen in der Schweiz ein Begriff ist, ist Amalia van Gent etwas weniger bekannt. Das hat auf der einen Seite wohl damit zu tun, dass sie für die NZZ geschrieben hat, also Berichte für den Druck verfasst hat. Auf der anderen Seite spielte aber sicherlich auch ihr Geschlecht und ihr Status als «Ausländerin» eine Rolle. Sie wurde oft nicht ernst genommen, ja zum Teil nicht einmal wahrgenommen – zum Beispiel von einflussreichen Männern in der Türkei, wo sie ihre Karriere als Auslandskorrespondentin begann.
«Einem Mann hätte er das nie gesagt.»
Amalia van Gent
Sie erzählt: «Ein General sagte mir in der Türkei: ‹Ach wissen Sie, wir nehmen keine kurdische Geiseln, wir bringen sie gleich um›». Sie ist sich sicher: Einem Mann hätte er dies nie gesagt. Auch sonst sieht sie Vorteile darin, als Frau im Journalismus zu arbeiten, denn als Frau hatte sie immer Zugang zur Welt der Frauen – über Frauen kann eine Journalistin viel über politische Situationen erfahren.
Angst, die beste Versicherung?
«Ich hatte Angst»: Diese Worte spricht Werner van Gent im Film «Werner van Gent – Leben zwischen Krieg und Musik», als er sich an einen Hinterhalt erinnert, in den er und Amalia van Gent während einer Berichterstattung im Nordirak geraten waren. Die meisten Menschen können sich wohl kaum vorstellen, wie es ist, aus Kriegsgebieten zu berichten, und die Frage nach der Angst ist wohl für viele naheliegend. Werner van Gent bestreitet zwar nicht, dass er immer wieder einmal in beängstigende Situationen geriet – der Hinterhalt im Nordirak war nur einer davon –, er versteht aber die Angst als eine Art Versicherung und sagt: «Wenn ich noch Angst habe, dann komme ich noch rechtzeitig raus.»
Amalia und Werner van Gent wurden von ihren Arbeitgebern nicht auf gefährliche oder beängstigende Situationen während ihrer Berichterstattung in Kriegs- und Krisengebieten vorbereitet. Heutige Journalist:innen werden anders ausgebildet und besser vorbereitet.
«Wenn ich noch Angst habe, dann komme ich noch rechtzeitig raus.»
Werner van Gent
Die Musik als Rückzugsort
Im Film «Werner van Gent – Leben zwischen Krieg und Musik» wurden Bilder teilweise verpixelt dargestellt, da das SRF eine Regelung hat, die besagt, dass keine Leichen mehr gezeigt werden dürfen. Doch bei Amalia und Werner van Gent blieben diese Bilder im Kopf, sie konnten nicht verpixelt werden. «Wir brauchten Distanz von diesen schrecklichen Bildern, eine geografische und eine geistige Distanz», erzählt Amalia van Gent.
«Ein Leben ohne Musik ist denkbar, aber nicht sinnvoll.»
Werner van Gent
Ihr Zuhause auf der griechischen Insel Tinos bot ihnen diese Distanz und einen Rückzugsort, um das Gesehene zu verarbeiten – obwohl sie beide, unabhängig voneinander, auf Tinos, und nur auf Tinos, immer drei Tage lang nach einem Einsatz Albträume hatten. Es sei der Wind und die Natur und für Werner insbesondere auch die Musik, die ihnen half. Und über die Musik sagt Werner van Gent: «Ein Leben ohne Musik ist denkbar, aber nicht sinnvoll.»