Das Gespräch mit Ursula Haller zum Nachschauen und Nachhören
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Die Idee der neuen Eventreihe «Begegnung mit…»: Einen Tag lang mit einem aussergewöhnlichen Menschen verbringen, zum Start am Vormittag eintauchen in das Leben und Wirken des Gastes, gemeinsames Mittagessen, am Nachmittag vertiefen einiger Lebensgrundsätze im Workshop. Mit der Stadträtin, Grossrätin, Gemeinderätin, Nationalrätin Ursula Haller (75) eröffnete Elias Rüegsegger (29) die neue Reihe.
«Sagen, was man denkt. Denken, was man sagt.»
Dies ist einer der Lebens-Leitsätze, die Ursula Haller (75) auf Bitten des Moderators Elias Rüegsegger (29) im Vorfeld notierte. Die Frage, ob sie diese Devise stets eingehalten habe, beantwortet Ursula Haller mit: «Immer, wäre nicht ganz, ganz richtig» und führt das Kollegialitätsprinzip ins Feld, das verlangt nach aussen die Meinung der Behörde zu vertreten. Das heisse jedoch nicht, dass man persönlich eine andere Meinung habe, haben dürfe.
Ihre persönliche Meinung vertrat sie – als Frau und wohl auch aus der eigenen Erfahrung als Mutter zweier Kinder – mit der Vorlage zur Mutterschaftsversicherung für erwerbstätige Mütter. Sie tat dies entgegen der Linie ihrer damaligen Partei, der SVP. Noch heute freut sie sich über diesen Erfolg und erzählt am Rande der Veranstaltung Details zu ihrem Coup, den bürgerlichen Pierre Triponez als Mann und Präsidenten des Gewerbeverbandes ins Boot geholt zu haben.
Die Vollblutpolitikerin
Geboren 1948 in Bümpliz. Über Kindheit und Jugend erzählt sie nicht viel. Auf die Frage, was die 20-jährige von der heutigen Ursula halten würde, lacht sie: Als 20-Jährige sei sie einfach jung und verliebt gewesen. 1978 aber stieg sie in die Politik ein. Eigentlich eine Verlegenheitslösung, da ihr damaliger Mann angefragt wurde, dieser aber die administrativen Arbeiten an seine Frau übergeben hätte. Bereits früher wünschte die Partei sie als Alibifrau auf dem Ticket; sie werde schon nicht gewählt, wurde sie motiviert und gleichzeitig beschwichtigt.
1999 dann Vollblutpolitikerin als Stadträtin, Grossrätin, Gemeinderätin, Nationalrätin. Und sie ist es bis heute: Gewieft schüttelt sie Jahreszahlen, Namen, Zusammenhänge aus dem Ärmel, kommt ins Feuer: «Wenn ich da noch eine Anmerkung, eine Klammer machen darf; wenn ich dazu noch ein Beispiel nennen darf». Das Publikum geht mit, lässt 40 Jahre Schweizer Politik revuepassieren, erinnert sich und freut sich mal diebisch, mal wehmütig an altbekannten Ereignissen.
Das Alpenbarbie
Politisiert ein Mann engagiert, ist er «temperamentvoll», tut dies eine Frau, ist sie «so emotional». Ursula Haller wurde als blonde Frau sehr oft auf ihr Äusseres reduziert. «Alpenbarbie» war ihr Spitzname. Doch sie war ein «pägguhääriges» Alpenbarbie: Sie verkündete öffentlich ihre Scheidung, bevor man sie als Angehörige einer Partei, die das intakte Familienleben hochhält, deswegen hätte anzünden können und schliesst: «Es lohnt sich zur eigenen Meinung zu stehen»
«Es lohnt sich zur eigenen Meinung zu stehen.»
Ursula Haller (75)
«Zivilcourage haben. Kein Wendehals sein»
2007 dann die Abwahl von Christoph Blocher. Sie erinnert sich an das kanariengelbe Blatt, das im Fraktionszimmer auflag und den Übergang in die Opposition proklamierte. Diesem Druck wollte sich Ursula Haller nicht beugen, das war nicht mehr ihre Berner SVP. Und sie ging; ging und wurde Gründungsmitglied der BDP. Das brauchte Zivilcourage.
Was bleibt, was wird noch?
Ihr Interesse an der Politik ist natürlich geblieben. Sie teilt dies und noch vieles, vieles mehr mit ihrem jetzigen Mann, Reto Vannini. Beide lesen sie Zeitungen, engagieren sich, diskutieren und pflegen ein inniges, enges Leben zu zweit, dankbar, dass sie sich gefunden haben.
Reto, der «Mann im Lift», verzauberte Ursula («zack!», habe es gemacht} am ersten Treffen bereits beim Öffnen der Lifttür.
Sie begaben sich nach ihrem Rückzug aus der aktiven Politik auf eine 30’000 Kilometer lange Reise über die Seidenstrasse. Abstand sei schon nötig gewesen, ein Politikerleben sei doch arg durchgetaktet.
Zurück in Thun müssen sich beide an ein ruhigeres Leben gewöhnen. Der Briefkasten überquillt nicht mehr vor Einladungen. Es bleibt Zeit für Anderes, Zeit, die das Paar Haller/Vannini geniesst. Sie geniessen sie als wache, glücklicherweise gesunde Menschen.
Die nächsten Events in der Reihe «Begegnung mit…»
Einen Tag lang mit einem aussergewöhnlichen Menschen im Offenen Höchhus verbringen, beim gemeinsamen Mittagessen und später in einem Workshop mit ihnen ins Gespräch kommen und vielleicht für sich selbst Überraschendes entdecken: Das ist das Angebot «Begegnung mit … » von UND Generationentandem. Es wird von der Raiffeisenbank Steffisburg unterstützt und findet viermal jährlich im Begegnungszentrum Offenes Höchhus in Steffisburg statt.
- 19. Oktober 2024: Begegnung mit Anna Rosenwasser
- 30. November 2024: Begegnung mit Kathrin Altweg
- 7. Dezember 2024: Begegnung mit Jo Lang